Abraham David Christian

Skulptur, 2011

Eisen, H. 42 cm, D. 31 cm

Unikat

Seit 2011 arbeitet Abraham David Christian mit dem Werkstoff Eisen. Aus einem klassischen Scherenschnitt – in einem spontanen Moment der Konzentration vom Künstler gefertigt – entstehen später massive Skulpturen, die in einem aufwendigen Verfahren aus bis zu 300 Kilo schweren Stahlwalzen gefräst werden.

Die hier gezeigte Skulptur gehört zu den allerersten Eisenskulpturen von Abraham David Christian, entstanden 2011 als Unikat.

 

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JJ: Können Sie nochmal beschreiben, wie diese Skulpturen entstehen? Am Anfang stehen Scherenschnitte …

ADC: Nein, das ist unwichtig. Das ist alles Technik. Was mich nicht interessiert, ist die Technik. Um 4.00 Uhr stehe ich auf und um 4.30 Uhr bin ich in einer tiefen Meditation. Warum macht man das, das Meditieren? Man beobachtet sein Atmen, man vergisst die Worte. Man denkt an nichts. Das ist die ideale Vorstellung. Und mir ist gelungen, in diesen Meditationen, jedenfalls in meiner Art der Meditation, Dinge zu sehen, die ich dann umsetze, sowohl in Zeichnungen als auch in Skulpturen. Ich sehe diese Dinge und dann setze ich sie um. Ich sehe Dinge, die Sie da jetzt vor sich sehen. Also, ich sehe das stellvertretend für Sie. Ich habe früher eine ganze Reihe von Selbsterfahrungen gemacht. Und ich habe immer gesagt: Ich mache das stellvertretend für andere Menschen. Und dieses „stellvertretend für andere Menschen“ spielt bei meiner Arbeit eine ganz große Rolle. 
Diese Skulpturen hier stehen stellvertretend für bestimmte Idee, für die Idee der Einzigartigkeit. Man kann sie nicht anders benutzen, sie sind Werkzeuge, die nur zu sich selbst führen. Sie sind für einen Menschen bestimmt. Die Skulpturen haben bestimmte Größen und Funktionen. Sie sind massiv. Auch das war ganz wichtig. Auch das habe ich gesehen. Dieses Massive in dieser Skulptur. Ich habe dann durch Freunde den richtigen Weg gefunden, dass ich das produzieren konnte. Das Nicht-Verrückbare der Skulptur ist etwas weiteres, ganz Wichtiges. Es ist nicht so einfach austauschbar. Dass diese Skulpturen aus Eisen sind, hat mich sehr interessiert, weil Eisen ganz wichtig ist zur Erzeugung des Blutes.  Wir alle haben etwa 23 Milligram Eisen in unserem Körper. Und ohne das würden wir kein Blut erzeugen können. Also, dieses Eisen ist ganz wichtig für die Existenz des Menschen.

JJ: Mich würde der Werde-Prozess dieser Skulpturen interessieren. Sie sagen, Sie haben Ihre Meditation und sehen die Skulptur. Dann gehen Sie mit der Schere an eine Zeitung, schneiden die Formen aus, falten sie auf. Was passiert dann? Kann da auch ein Irrtum sein? Kann da etwas sein, das Sie wegwerfen?

ADC: Das ist wunderbar (lacht). Es gibt keine Skulptur, die ich jemals zerstört habe. Es gibt keine Zeichnung, die ich weggeworfen habe. Eines, was ich lehre, ist: Machen Sie es doch sofort richtig! John Cage hat gesagt: „Wenn du anfängst zu arbeiten, sind sie alle in deinem Arbeitszimmer: die Vergangenheit, deine Freunde, Feinde, die Kunstwelt und vor allem die eigenen Ideen. Alle sind sie da. Aber du konzentrierst dich. Du arbeitest und sie verschwinden. Alle nacheinander. Bis du vollkommen allein bist. Und dann, wenn du Glück hast, verschwindest auch du.“ Dieser Prozess, das Sehen, das Umsetzen mit der Schere, das dann dreidimensional ist. Ich schliesse die Augen dabei. Und es entsteht vor mir. Ich hänge es dann an eine bestimmte Arbeitswand und betrachte das. Und dann vergesse ich das und gehe in den Garten arbeiten. Später kome ich zurück und sehe, dass es gut ist. Und den Satz kennen wir auch: „Und ER sah, das es gut war.“ Dieser Schöpfungsprozess ist, wenn man ganz konzentriert ist – das kennen Sie alle, wenn Sie mal einen Kuchen gebacken oder ein Brot gebacken haben – und dann sagen Sie, dass es gut war. Und dann hat man so eine innere Freude und so ein inneres Glück, und dann weiß man auch, das ist richtig und das bleibt so.
Und dann wird so eine Arbeit umgesetzt. Das ist aber etwas anderes, was mich schon nicht interessiert. …

Auszug aus: EISEN – Abraham David Christian im Gespräch mit Jörg Jung, Köln 2019, Herausgeber: sgr a Jörg Jung, Köln
(Das öffentliche Gespräch entstand 2018 im Rahmen einer Ausstellung von Eisen-Skulpturen des Künstlers in der 1804 errichteten evangelisch-reformierten Kirche in Radevormwald.)

 

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