Kannon

Skulptur (Kannon Bosatsu)

Holz, mit Urushi (Lack) überzogen und partiell vergoldet
eingesetzte Kristallaugen* (gyokugan)

H. 28 cm, B. 22 cm

Japan
Momoyama-/frühe Edo-Zeit
16./17. Jahrhundert

Preis auf Anfrage

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Eine klassizistische Vase aus Marmor.

Kannon Bosatsu (観音菩薩) mit gyokugan – Japan, 16./17. Jahrhundert

Diese erlesen gearbeitete Holzskulptur zeigt Kannon Bosatsu (Avalokiteśvara), den Bodhisattva des Mitgefühls, in meditativer Haltung auf einem doppelten Lotosthron (rengeza). Sie entstand in Japan im ausgehenden 16. oder frühen 17. Jahrhundert – in einer Epoche, in der sich die expressive Bildkraft der Kamakura-Zeit mit der kultivierten Formensprache der späten Momoyama- und frühen Edo-Zeit verband.

Mit ruhigem Gesichtsausdruck, gesenktem Blick und in der Geste tiefer Versenkung (dhyāna mudrā) ineinandergelegten Händen verkörpert die Figur eine idealtypische Darstellung innerer Sammlung. Die weich modellierten Gesichtszüge, die ausgewogene Proportionierung und die aufwendig gearbeitete Kopfbedeckung verweisen auf den ikonographischen Typus des königlichen Bodhisattva.

Besonders hervorzuheben ist die Verwendung der gyokugan-Technik: eingesetzte Kristallaugen*, die der Skulptur eine eindringliche Lebendigkeit verleihen. Diese Technik galt seit dem 13. Jahrhundert als Ausdruck höchster Bildhauerqualität und wurde über mehrere Jahrhunderte in den bedeutendsten Werkstätten gepflegt.

Reste einer ursprünglichen Polychromie aus Lack und Gold (urushi mit shippaku) sind in der Oberfläche noch deutlich erkennbar. Die natürliche Patina mit ihren fein nuancierten Abnutzungsspuren verleiht dem Werk eine besondere Aura historischer Tiefe. Auffällig sind dabei die deutlich glänzenderen Partien an den Händen – Spuren wiederholter Berührung durch Gläubige, die im Akt der Andacht sanft über die Hände der Figur strichen. Solche Berührungen, etwa im Kontext von Bitten oder Danksagungen, zeugen von der kultischen Praxis, die dieses Bildwerk einst umgab – ein stilles Zeichen gelebter Verehrung.

Die elegant gefalteten Gewänder, die klare Haltung und die monumentale Ruhe der Gesamtform lassen auf eine Entstehung in einer Phase stilistischer Reife schließen. Diese Skulptur ist ein schönes Beispiel buddhistischer Kunst der späten Azuchi-Momoyama- oder frühen Edo-Zeit. Ihre kontemplative Ausstrahlung macht sie über ihre historische Bedeutung hinaus zu einem berührenden Zeugnis gelebter religiöser Praxis.

*Historisch wurden für die Augen Bergkristall, Glas oder eine Harzglasur verwendet – je nach Größe der Skulptur und Werkstatt. Im japanischen kunsthistorischen Sprachgebrauch werden diese Augen allgemein Kristallaugen genannt. Bei der vorliegenden Figur sind die tieferliegenden Augen heute von einer feinen Patinaschicht überzogen – ein stiller Hinweis auf ihr hohes Alter und die lange Dauer kultischer Nutzung. Unter starker Vergrößerung lässt sich das ursprüngliche Material jedoch noch erkennen.

Kannon Bosatsu im japanischen Buddhismus

Kannon (観音, auch Kanzeon oder Kanjizai genannt) ist die japanische Form des Bodhisattva Avalokiteśvara – der Verkörperung unermesslichen Mitgefühls. Ursprünglich männlich konzipiert, wurde Kannon in Japan zunehmend als weibliche oder geschlechtslose Figur verehrt. Ihre Gestalt ist geprägt von stiller Präsenz, gütiger Miene und oft von kostbarer Gewandung, die ihre Rolle als „königlicher Bodhisattva“ betont.

Seit dem 8. Jahrhundert fest im japanischen Buddhismus verankert, wurde Kannon besonders in der Heian- und Kamakura-Zeit zur zentralen Verehrungsgestalt – sowohl im esoterischen Shingon-Buddhismus als auch im Amidismus (Jōdo-shū). Die Darstellung in Meditationshaltung, wie sie diese Skulptur zeigt, verweist auf die transzendente Seite der Bodhisattva-Wirkung: stilles Mitgefühl, das jenseits von Handlung wirkt.

Gyokugan – Realismus und Spiritualität

Die Technik der eingesetzten Kristallaugen (gyokugan) ist eines der charakteristischen Merkmale hochwertiger japanischer Holzbildhauerei. Entwickelt in der Kamakura-Zeit (13. Jahrhundert), diente sie nicht nur dem Realismus, sondern auch der spirituellen Wirkung: Die Augen sollten „lebendig blicken“ und den göttlichen Funken vermitteln, der die Figur mit ihrer sakralen Funktion verband. Ihre Verwendung wurde daher bewusst bei Figuren gewählt, die im kultischen Alltag präsent waren – in Tempeln, Hausaltären oder mobilen Schreinen.

Buddhistische Bildwerke zwischen Andacht und Kunst

Skulpturen wie diese dienten nicht primär als Kunstobjekte im westlichen Sinne, sondern waren Verkörperungen heiliger Gegenwart. Sie wurden verehrt, gepflegt, mit Opfergaben bedacht – und berührt. Der physische Kontakt zu bestimmten Partien, wie den Händen, war Ausdruck einer Beziehung zwischen Gläubigem und Bodhisattva. Die daraus resultierenden Abnutzungsspuren gelten heute als stille Zeugnisse jener tiefen religiösen Praxis.

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