Yoruba

Zwillingsfigur (ibeji)

Holz, Kaurischnecken, Metallschmuck
H. 21,5 cm

Westafrika, Nigeria
Volk der Yoruba

Provenienz:
Ursula Heijs-Voorhuis (1932-2021)
– Galerie Kirbach (2002)
– Privatsammlung Düsseldorf (bis 2019)
– Sammlung kirbach.kress

Euro 1.700,-

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Ein japanischer Hammer aus Holz aus dem 19. Jahrhundert.

leicht Diese ausdrucksstarke weibliche Ibeji-Figur der Yoruba wurde aus dunkel patiniertem Holz geschnitzt und trägt eine kunstvoll eingeritzte Kappenfrisur. Ihre Haltung ist aufrecht, mit eng am Körper anliegenden Armen, typischen Standfüßen und betonter Frontalität – ein klassisches Merkmal traditioneller Yoruba-Schnitzkunst.

Durch Waschungen, Salbungen und das stete Berühren hat sich das Holz stellenweise abgerieben und ist mit einer tiefen, glänzenden Patina überzogen. Der Kontakt mit Händen und Ölen verleiht der Figur eine spürbare Lebendigkeit.

Die Figur ist reich ausgestattet: Glasperlen um Hals und Knöchel, massive Metallarmreifen sowie ein prachtvolles, seitlich befestigtes Bündel aus gedrehten Fasern und Kaurimuscheln – Zeichen ihrer spirituellen Präsenz. Diese Ibeji diente über Jahre als kultischer Ersatz für ein verstorbenes Zwillingskind und wurde mit großer Sorgfalt behandelt.

Die Zwillingskultur der Yoruba und der Ibeji-Kult

Die ethnische Gruppe der Yoruba zählt heute mit über 20 Millionen Menschen zu den größten ethnischen Gemeinschaften Afrikas. Ihr Siedlungsgebiet erstreckt sich vor allem über den Südwesten Nigerias sowie angrenzende Regionen Benins.

Zwillinge nehmen im spirituellen Weltbild der Yoruba eine herausragende Stellung ein. Mit einer Zwillingsgeburtenrate von etwa 45 pro 1.000 Geburten – rund viermal so hoch wie in westlichen Ländern – gelten sie als ein besonders häufiges und zugleich bedeutungsvolles Phänomen.

Historischen Überlieferungen zufolge wurden Zwillingsgeburten früher nicht immer als Segen betrachtet: Zwillinge galten lange Zeit als unheimlich, ja gefährlich – nicht selten wurden sie verstoßen oder gar getötet. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts vollzog sich ein tiefgreifender Wandel im kulturellen Verständnis. Seither gelten Zwillinge als Glücksbringer und als göttliche Gabe – sowohl für die Familie als auch für die gesamte Gemeinschaft.

Dieser Wandel manifestiert sich eindrucksvoll im Ibeji-Kult, der den verstorbenen Zwillingen gewidmet ist. Die Yoruba glauben, dass Zwillingen übernatürliche Kräfte innewohnen, die sogar stärker sein können als die der verehrten Ahnen. Zwillinge können ihrer Mutter und Familie Schutz gewähren – im Leben wie im Tod.

Stirbt eines oder beide Kinder eines Zwillingspaares, wird dem Geist des Verstorbenen eine kleine Holzfigur – ein ibeji – als Wohnsitz angeboten. Dabei geht es nicht um eine naturalistische Darstellung des Kindes, sondern um eine idealisierte, symbolisch überhöhte Darstellung eines nackten, erwachsenen Körpers mit angelegten Armen – ein Ausdruck spiritueller Reife und Vollständigkeit.

Ein zentraler Aspekt des Glaubens ist die Untrennbarkeit der Seelen von Zwillingen. Stirbt ein Kind, lebt seine Seele im überlebenden Zwilling weiter. Doch diese doppelte Seelenlast muss ausgeglichen werden – durch die Pflege des ibeji, das der verlorenen Seele einen festen Platz in der irdischen Welt gibt.

Die Figuren werden bei einem Schnitzer in Auftrag gegeben und auf einem kleinen Altar im Schlafraum der Mutter aufgestellt. Sie werden von ihr umsorgt, bekleidet, mit Nahrung versorgt und regelmäßig gepflegt – ein Ausdruck tief empfundener Verantwortung. Die Körper der ibeji werden mit rotem Holzmehl eingerieben, ihre kunstvoll gearbeiteten Frisuren traditionell mit Indigo oder leuchtendem Wäscheblau gefärbt.

Wird der ibeji gut behandelt, bringt er Glück und Schutz – wird er vernachlässigt, kann Unheil über die Familie kommen. So lebt der Glaube an die spirituelle Präsenz der Zwillinge in den ibeji-Figuren fort – als eindrucksvolles Zeugnis einer einzigartigen Verbindung von Kunst, Glaube und Lebenswirklichkeit.

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